Verhaltensforscherin: Der rätselhafte Tod der Affen-Forscherin Dian Fossey - WELT (2024)

Wissenschaft Verhaltensforscherin

| Lesedauer: 4 Minuten

Von Eva Krafczyk

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Für die einen war sie die selbstlose Retterin der Berggorillas in den Virunga-Bergen zwischen Ruanda, dem Kongo und Uganda, der erste Mensch, dem eine echte Kontaktaufnahme zu den Menschenaffen gelang. Andere beschreiben sie als unbeherrschte und zunehmend isolierte und verbitterte Frau, die Kollegen brüskierte und Afrikanern mit Herablassung begegnete. Auch viele Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod spaltet Dian Fossey die Gemüter. Unbestritten ist ihr Einsatz für den Schutz der Berggorillas, einer der weltweit besonders bedrohten Tierarten. Am 27. Dezember 1985, wurde die gebürtige Amerikanerin in ihrem Camp Karisoke in Ruanda ermordet aufgefunden. Die Tat wurde bis heute nicht aufgeklärt.

Für Tiere hatte sich die 1932 geborene Fossey schon immer interessiert. Ein Studium der Tiermedizin scheiterte an ihren schlechten Prüfungsergebnissen in Chemie und Physik. Der Traum, nach Afrika zu gehen und wilde Tiere in der Natur zu erleben, blieb und wurde nur noch stärker, nachdem die als Verhaltenstherapeutin arbeitende Fossey 1966 während einer Afrikareise erstmals Gorillas gesehen hatte.

Sie bewarb sich bei dem berühmten Anthropologen Louis Leakey um eine Stelle – und hatte Glück. Der hatte schon die Weichen für zwei andere Forscherinnen gestellt: Die Engländerin Jane Goodall erforschte Schimpansen in Tansania, die Kanadierin Biruté Galdikas leitete ein vergleichbares Projekt mit Orang-Utans auf Borneo (Indonesien). Ende 1966 konnte Fossey ihre Arbeit in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) aufnehmen, musste aber wegen des dortigen Bürgerkriegs ins benachbarte Ruanda ausweichen. Sie gründete die Forschungsstation Karisoke in den Virunga-Bergen, wo sie 18 Jahre ihres Lebens verbrachte. Die Einwohner der umliegenden Dörfer nannten sie „Nyiramacibili“ – „Frau, die alleine in den Wäldern lebt“.

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Dort gewann sie völlig neue Einblicke. Durch ihre Beharrlichkeit und Beobachtungsgabe lernte sie das Verhalten der Berggorillas wie kein anderer Mensch kennen: Familienstrukturen, Verhalten zwischen Tieren an unterschiedlichen Positionen der Hierarchie, Kommunikation. So gelang es ihr auch, von den Tieren in ihrer Mitte akzeptiert zu werden. Das dokumentierte sie, und ihre Filme und Artikel wurden schnell in der Fachwelt bekannt.

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Doch Fossey erntete auch heftige Gegenreaktionen. Für sie waren die Gorillas nicht nur Inhalt ihrer Arbeit, sie wurden auch zum Familienersatz. Vor allem den Verlust von Tieren durch Wilderer nahm Fossey persönlich. Sie startete einen regelrechten Kreuzzug gegen Wilderer und zerstörte nicht nur ihre Fallen, sondern ließ auch ihre Häuser und Felder niederbrennen. Mit ihrem Vorgehen brachte sie viele Menschen gegen sich auf. Sie warfen ihr vor, Affen wie Menschen zu behandeln und Menschen wie Affen. Viele Ruander sagten, dafür habe sie sterben müssen.

Angelegt hatte sie sich auch mit Ruandas Tourismusbehörde, die der Meinung war, Fossey schade dem Tourismus im Land. Die Behörde wollte ihr kein neues Visum ausstellen, nur durch Intervention an höchster Stelle bekam sie es doch noch. Dies habe ihren Tod besiegelt, schreibt der Fossey-Biograf Farley Mowat in seinem Buch. Denn vermutlich hätten nicht Wilderer sie getötet – so die offizielle Version –, sondern Personen im Auftrag der Regierung. Mowat stützt sich auf die Todesumstände.

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Wilderer hätten Fossey mit geringem Risiko im Wald erschießen können. Sie war jedoch mit eingeschlagenem Schädel in ihrer Hütte gefunden worden. Dort hatte es noch einen Kampf gegeben, die Forscherin hatte auch noch zu ihrer Pistole gegriffen. Allerdings konnte sie nicht damit schießen – es war darin Munition des falschen Kalibers. Der Biograf glaubt, dass Fossey der touristischen „Verwertung“ der Gorillas hinderlich war. Eine Theorie, die heute schwerlich zu beweisen ist, aber durchaus plausibel klingt.

Auch Wissenschaftler hatten Fossey Fanatismus vorgeworfen. „Am Ende hat sie mehr Schlechtes als Gutes bewirkt“, resümierte eine ehemalige Mitarbeiterin vor Jahren in einem Interview. „Sie liebte die Gorillas und den Busch, aber sie wollte nicht organisieren. Sie war eine schlechte wissenschaftliche Mentorin, und sie konnte keine Kontrolle abgeben.“ Ihr Tod sei „das perfekte Ende“ gewesen, meinte ihre Schülerin Kelly Stewart – perfekt aus Fosseys eigenem Blickwinkel: „Sie sah sich als Kriegerin, die hinausging, um den Feind zu konfrontieren. Sie hat immer über eine letzte Begegnung fantasiert.“

Fossey erlebte den Erfolg der internationalen Bemühungen, die Berggorillas besser zu schützen, nicht mehr. Anfang der 80er-Jahre war die Zahl der Tiere auf nur noch 250 zurückgegangen. Inzwischen leben wieder mehr als 800 Tiere in den Vulkanbergen in Ruanda, dem Kongo und Uganda. Dafür sorgt heute – das ist das Paradoxe zu Fosseys tourismuskritischer Haltung – ausgerechnet der Tourismus. Es sind nicht die durch Wilderer getöteten Gorillas, die den Menschen der Umgebung Lohn und Brot geben, sondern die lebenden. Ein sanfter (und teuer bezahlter) Tourismus sorgt dafür, dass die Zahl der Tiere wächst, ohne dass diese durch Besucher zu sehr gestört werden.

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